Demokratie heißt, nicht wegzusehen! – Volker Bouffier zu Gast an der Geschwister-Scholl-Schule

Am 31.10.2023 freute sich die Schulgemeinde der Geschwister-Scholl-Schule, den ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes Hessen, Volker Bouffier, zum 9. Scholl-Forum begrüßen zu dürfen.

In seinem Impulsvortrag vor den Schüler:innen der Jahrgangsstufen E1, Q1 und Q3 wies Herr Bouffier unter anderem auf die Herausforderungen für die liberale Demokratie hin.

Er sprach über seinen persönlichen Blickwinkel auf den Nahost-Konflikt, über die schwierige Aufgabe, vor welche der Ukraine-Krieg Deutschland bis heute stelle, sowie über die Corona-Pandemie, die das Land gespalten habe. Eine besondere Gefahr für die Demokratie sieht Herr Bouffier durch die Revolution der Kommunikation, da die Beeinflussung durch digitale und soziale Medien schneller und umfangreicher verlaufe.

International betrachtet zählten die Grundwerte der Demokratie in vielen anderen Ländern nicht. Freiheit, Gleichheit und freie Meinungsäußerung seien Privilegien einer Demokratie, während Diktaturen wie China und Russland oder auch der Iran mit Angst und physischer Gewalt regierten.

Herr Bouffier betonte, Demokratie und Freiheit seien keine Selbstläufer. Es brauche keine Held:innen, aber engagierte Demokratinnen und Demokraten, welche für andere und einen gegenseitigen respektvollen Umgang einstünden. Besonders gefährlich sei demnach die Gleichgültigkeit der Masse. Sein Grundanliegen sei es, dass die Grundzüge der Humanität gelebt und diese in der Schule und auch in den Elternhäusern vermittelt würden.

In der anschließenden Gesprächsrunde interviewten die Moderator:innen Max Vetter, Sophia Schmitt, Leo Gebauer und Liv Fischer Herrn Bouffier zu seiner politischen Biographie, zu den Ergebnissen der Landtagswahl sowie zur derzeitigen Lage der Demokratie.

So antwortete er auf die Frage, ob er Schwarz-Grün als sein politisches Vermächtnis ansehe, dass er diesen Schritt im Nachhinein als epochalen und richtigen Schritt betrachte, da eine Regierung mit der SPD oder der FDP zum damaligen Zeitpunkt nicht infrage kam. Es ginge aber in der Koalitionsbildung immer um Kompromissfähigkeit, welche die Grundlage von Politikfähigkeit und letztlich von politischen Entscheidungen sei. Essentiell sei ebenfalls das Vertrauen in den Koalitionspartner, um neben dem gemeinsamen Programm auch unvorhergesehene Herausforderungen meistern zu können. Im Gegensatz zur aktuellen Ampel-Regierung in Berlin habe die Landesregierung in Hessen während seiner Amtszeit nie nach außen gestritten, was auch das Vertrauen seitens der Bevölkerung gestärkt habe.

Dies habe sich auch in der diesjährigen Landtagswahl bestätigt, aus welcher die CDU als klarer Sieger hervorging. Da jedoch auch die AfD großen Zuwachs erhielt und die Grünen Stimmen verloren haben, wurde Herrn Bouffier die Frage gestellt, ob eine gesellschaftliche Breitenwirkung der bisherigen Koalition noch möglich sei. Diese beantwortete er mit einem Ja, wobei er die Veränderung der Parteienlandschaft betonte, die heute größere Auswahlmöglichkeiten biete, was auch für eine pluralistische und individualisierte Gesellschaft spreche. Etablierte Parteien erreichten heute nicht mehr 80-90% der Stimmen wie zu Beginn seiner politischen Karriere, sondern vielleicht noch gut die Hälfte. Ein Ende der Volksparteien sehe er darin aber nicht. In Europa gebe es kaum mehr Parteien, die mehr als 30% der Wählerstimmen erhielten. Die SPD könne man momentan eher kommunal als Volkspartei bezeichnen. Ohne die CDU in Hessen sei hingegen keine Regierungsbildung möglich, womit aber auch eine große Verantwortung einhergehe.

Der Umgang mit der AfD, die nun die größte Oppositionskraft im Hessischen Landtag darstellt, sei bisher aus mehreren Gründen gescheitert. Im Fokus sollte eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der in Teilen rechtsextremen Partei stehen, denn die meisten Menschen, beispielsweise mögliche Protestwähler, wüssten unter anderem nicht, wie die AfD konkret zur Europapolitik stehe. Nächstes Jahr sei jedoch Europawahl und da Herr Bouffier auch die Zukunft Deutschlands, vor allem im internationalen Kräftespiel, im Kontext einer starken Europäischen Union sieht, sei die inhaltliche Aufklärung unumgänglich. Zudem sehe er häufig eine große Hilflosigkeit im Umgang mit Anhängern der AfD. In einer wehrhaften Demokratie gehe es jedoch darum, die politische Unvereinbarkeit mit bestimmten Haltungen aufzuzeigen. Ein Parteiverbot würde das Problem seiner Ansicht nach nicht beheben. Er sei vielmehr dafür, den Verfassungsschutz zu stärken, welcher strikten Regeln folgt, um die Demokratie zu schützen sowie die Kompetenzen zur Internetüberwachung zu erweitern.

Auch die besorgniserregenden antidemokratischen Entwicklungen auf internationaler Ebene wurden thematisiert. Deutschland habe jedoch nicht die Macht, hier verändernd einzugreifen. In einer multipolaren Welt müsse Deutschland so stark werden, dass es – auch wirtschaftlich – nicht erpressbar ist. Dafür sollte die Bevölkerung aktiv einstehen.

Eine politische und militärische Einflussnahme seien nur gemeinsam mit der EU und einem starken NATO-Bündnis möglich. Zudem hoffe er mit Blick auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen auf eine demokratische Kontinuität der Führungsmacht USA.

Auch das Publikum bekam Gelegenheit, Herrn Bouffier zu verschiedenen Aspekten zu befragen.

  • Dabei machte er deutlich, dass er froh sei, heute noch viel Wertschätzung zu erfahren, denn es sei zwar nicht leicht, hohe politische Ämter zu erlangen, aber noch schwerer sei es, mit Anstand wieder hinauszukommen.
  • Das Austragen außenpolitischer Konflikte auf unseren Straßen dürfe nicht zugelassen werden und müsse harte Konsequenzen nach sich ziehen, wenn die Meinungsfreiheit und das Versammlungsrecht missbraucht würden, um Volksverhetzung oder gewaltverherrlichende Äußerungen zu proklamieren. Es sei jedoch eine Illusion, dass sich alle Menschen in Deutschland mit den Grundwerten der Demokratie identifizieren würden, weshalb uns diese Thematik noch lange begleiten werde.
  • Für die CDU ging es und gehe es weiterhin darum, junge Menschen zu erreichen, die noch politisch suchend sind. Dazu gehöre auch mehr Präsenz in den sozialen Medien.

Herrn Bouffiers abschließender Rat an die junge Generation für die Zukunft ist, dass sie eine realistische Hoffnung haben müsse, und zwar für sich, die Familie und das Land, da sie die politischen Weichen stelle. Seine abschließende Botschaft lautete: 1. Wir haben eine gute Zukunft! 2. Setzen Sie sich dafür ein!

Abschließend dankten unser Schulleiter, Herr Stricker, sowie unser Fachbereichsleiter der Gesellschaftswissenschaften, Herr Trier, Herrn Bouffier für seinen Besuch und für seine wichtigen Worte.

Bedanken möchte sich unsere Schule zudem herzlich bei Herrn Jürgen Illing von der David Ben-Gurion Stiftung, der für den kommenden Israel-Austausch eine Spende überreichte.

Pressebericht des Bergsträßer Anzeiger vom 01.11.2023: https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-volker-bouffier-gss-geschwister-scholl-schule-bensheim-schollforum-_arid,2141755.html?&npg

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