Selten wurde eine Präsidentschaftswahl in den USA mit so viel Aufmerksamkeit verfolgt wie in diesem Jahr. Die Frage, ob es dem Amtsinhaber Donald Trump entgegen der Prognosen gelingen würde, den Wiedereinzug ins Weiße Haus zu schaffen, oder ob der demokratische Herausforderer Joe Biden vom Vizepräsidenten unter Barack Obama nun zum amerikanischen Präsidenten aufsteigen würde, beschäftigte nicht nur die in zwei Lager gespaltene Bevölkerung Amerikas, sondern auch die Menschen weltweit. Dies nahmen Schüler*innen der Politikwerkstatt und aus den Englisch-Leistungskursen zusammen mit dem Haus am Maiberg zum Anlass, diese besonderen Wahlen genauer in den Blick zu nehmen.
Im 1. Teil des Seminars konnten sich die Schüler*innen einige Wochen vor der Wahl unter Einhaltung der geltenden Hygienebestimmungen noch im Haus im Maiberg treffen.
Nach einem kurzen Kennenlernen und der Formulierung von Erwartungen an das Seminar wurden in Kleingruppenarbeit die Besonderheiten des US-amerikanischen Wahlsystems erarbeitet und anschließend präsentiert. Hierbei stellten die Schüler*innen fest, dass sich dieses System unter anderem durch das „the-winner-takes-it-all“-Prinzip oder durch das Vorhandensein von Wahlleuten, dem sogenannten „electoral college“, zum Teil erheblich vom deutschen Wahlsystem unterscheidet.
Im Anschluss fand ein Online-Gespräch mit der in Berlin lebenden amerikanischen Politikwissenschaftlerin Katja Greeson statt, die 2016 im Präsidentschaftswahlkampf für Hillary Clinton Kampagnenarbeiten betrieben hat. In einem informativen Vortrag erklärte Frau Greeson zunächst die Rolle der politischen Parteien, die Besonderheiten der Wahlkampagnen und Wahlkampfspenden sowie die momentane Situation in den USA. Dabei ging sie unter anderem näher auf wahlausschlaggebende Faktoren, wie zum Beispiel die aktuelle Corona-Situation in Amerika, die diesjährige gewichtige Rolle der Briefwahlen oder die Zuverlässigkeit von Wahlumfragen, ein.
In der abschließenden Fragerunde an Katja Greeson stellten die Teilnehmer*innen unter anderem Fragen nach der persönlichen Motivation ihres politischen Engagements, nach den Wahlpräferenzen innerhalb ihrer Familie sowie danach, ob sie das US-Wahlsystem als gerecht empfinde.
Am Tag nach der Wahl fand dann der 2. Teil der Veranstaltung aufgrund der steigenden Corona-Infektionen im Kreis Bergstraße in Form eines Online-Seminars statt.
Zu Beginn wurden die Eindrücke aus den letzten beiden Wochen des Wahlkampfs und aus der vorangegangenen Wahlnacht ausgetauscht. Hierbei hat sich der Eindruck bei den Teilnehmenden verfestigt, dass der Wahlkampf sehr hart geführt worden sei. Auch die Corona-Infektion Donald Trumps und deren anschließende Inszenierung hätten die letzte Phase des Wahlkampfs dominiert.
In einer sich anschließenden Erarbeitungsphase wurden in Form einer Presseschau erste internationale Reaktionen zu den bisherigen Wahlergebnissen eingeholt. Dabei gingen die Schüler*innen den folgenden Fragen nach: Wie wird in Social-Media-Kanälen über die Wahl berichtet? Wie berichten „klassiche“ Medien in Deutschland und in den USA über die Wahlnacht und welche Unterschiede gibt es? Wie reagieren die beiden Parteien, Demokraten und Republikaner, auf die Wahlnacht? Und wie wird diese satirisch kommentiert?
Die Ergebnisse unterstrichen, dass die Reaktionen erwartungsgemäß zum Teil sehr unterschiedlich ausfielen. So zeigte sich Donald Trump entgegen der bisherigen Wahlergebnisse als siegessicher und sprach im Zusammenhang mit den vielen Briefwahlstimmen sogar von Wahlbetrug. Die internationale Presse kommentierte die Ergebnisse und Reaktionen teilweise hoffnungsvoll mit Blick auf die Ergebnisse von Joe Biden und teilweise erschüttert, da die Reaktionen Trumps grundsätzliche demokratische Prinzipien in Frage stellen würden.
Um die Analyseperspektive zu erweitern, wurde in einer weiteren Gruppenarbeitsphase eine Bilanz von Trumps Präsidentschaft gezogen. Anhand der ZDF-Reportage „Donald Trump – Der unterschätzte Präsident“ beschäftigten sich die Schüler*innen mit Trumps Kampf gegen das Establishment und dem Wechsel am Supreme Court, mit seiner Migrationspolitik im Konflikt mit Mexiko sowie mit seiner Devise „America First“ für Amerikas Wirtschaft und deren Auswirkungen auf die Umweltpolitik. Als Ergebnisse konnten hierbei Merkmale festgehalten werden, die mittlerweile in der Politikwissenschaft auch als „Trumpismus“ bezeichnet werden und sowohl eine politische Ideologie als auch den speziellen Regierungsstil Donald Trumps kennzeichnen: Unilaterale Politik, Vorliebe für autokratische Herrscher, chauvinistische Einstellungen gegenüber Frauen und Minderheiten sowie Ablehnung des politischen Establishments sind einige der zentralen Elemente.
Im abschließenden Teil des Seminars konnten sich die Schüler*innen erneut mit Katja Greeson in einem Expertengespräch über den bisherigen Wahlausgang und die bisher erfolgten Reaktionen austauschen.
Im Rahmen des Amtsantritts von Joe Biden am 20. Januar 2021 sollen dann in einem 3. Teil dieses Seminars die internationalen, europäischen und deutschen Perspektiven der neuen Präsidentschaft erörtert werden.
Wie gewohnt gebührt ein großer Dank den Verantwortlichen vom Haus am Maiberg, Hanne Kleinemas, Alexander Mack und Christoph Seibel, welche die Veranstaltungen akribisch vorbereitet und souverän durchgeführt haben.