„Antisemitismus ist keine Meinung“ – Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Herr Dr. Josef Schuster, zu Gast beim 6. Scholl-Forum

Zum 6. Scholl-Forum freute sich die Schulgemeinde außerordentlich, mit Herrn Dr. Josef Schuster den wichtigsten jüdischen Vertreter in Deutschland an der Geschwister-Scholl-Schule im vollbesetzten Forum begrüßen zu dürfen.

Nach der Begrüßung durch unseren Schulleiter, Herrn Thomas Stricker, und Grußworten vom Fachbereichsleiter für Gesellschaftswissenschaften, Herrn Stefan Trier, hielt Herr Dr. Schuster zunächst eine Impulsrede, in der er unter anderem auf die jüdisch-deutsche Geschichte, auf Aspekte der persönlichen Freiheit sowie auf den Umgang von Schulen mit den Themen Judentum und Antisemitismus einging. Er begann und schloss hierbei seine Ausführungen mit Zitaten aus Flugblättern der „Weißen Rose“.

Zurzeit leben ca. 150.000 Jüdinnen und Juden in Deutschland, so Dr. Schuster. Diese verhältnismäßig kleine Minderheit blicke auf eine traditionsreiche 1700-jährige Geschichte auf deutschem Boden zurück und habe so hierzulande Kultur und Gesellschaft nachhaltig geprägt. Dennoch beschränke sich die Bildungsarbeit in der Schule größtenteils auf die Zeit zwischen 1933 und 1945, wodurch das Judentum häufig als „Opfer“ der deutschen Geschichte gesehen werde. Deshalb habe der Zentralrat der Juden vor Kurzem eine Materialsammlung über den Beitrag des Judentums zur deutschen Geschichte veröffentlicht. Darüber hinaus lobte der Zentralratspräsident Initiativen wie „Meet a Jew“ oder auch Schüleraustausche mit Israel wie er auch an unserer Schule stattfindet.

Weiterhin befürworte Herr Dr. Schuster die Einführung eines verpflichtenden Besuches einer Holocaust-Gedenkstätte mit entsprechender Vor- und Nachbereitung, um Schülerinnen und Schüler für die Shoa zu sensibilisieren. Generell solle altersangepasst ab dem Kindergarten Aufklärungsarbeit gegen Antisemitismus und Diskriminierung im Allgemeinen stattfinden. Auch sei eine verstärkte Aus- und Fortbildung für Lehrkräfte im Umgang mit Antisemitismus notwendig. Insgesamt sehe er die Schulen als zentrales Element für die Schaffung eines soliden Fundamentes an, um antisemitischen, rassistischen und diskriminierenden Tendenzen entgegenzuwirken. Für die mündigen Bürgerinnen und Bürger von morgen sei laut Dr. Schuster eines essenziell: „Bildung, Bildung, Bildung“.

Ein weiterer Punkt seiner Rede war der Umgang mit der persönlichen Freiheit. Laut Herrn Dr. Schuster habe sich durch die Covid-19-Pandemie gezeigt, dass diese nicht zu allen Zeiten selbstverständlich sei. Ihn beunruhige die Tatsache, dass Bewegungen einen verstärkten Zulauf verzeichnen würden, welche unter dem Deckmantel ernstzunehmender Bedenken mit radikalen, antidemokratischen oder antisemitischen Weltanschauungen eine „Gefahr für unsere Gesellschaft und Demokratie“ darstellen. Als Beispiel nannte er das starke Abschneiden der AfD bei der vergangenen Landtagswahl in Niedersachsen. „Die Mehrheitsgesellschaft müsse gegen diese Tendenzen zusammenstehen“, was er durch ein Zitat aus einem Flugblatt der „Weißen Rose“ unterstrich.

Im Anschluss an seine Rede diskutierte unser Gast mit den Schülermoderatorinnen und -moderatoren aus der Q1 und Q3 sowie mit dem Publikum über die Themen „Jüdisches Leben in Deutschland“, „Kampf gegen Antisemitismus“ und „Holocaust Education“.

Laut Herrn Dr. Schuster sei jüdisches Leben in Deutschland heutzutage relativ sicher, dennoch halte er die Aufhebung des verstärkten Polizeischutzes für jüdische Gemeinden in den kommenden Jahren für eine „Utopie“.

Aus aktuellem Anlass wurden auch die Vorfälle auf der Documenta 15 in Kassel und die Äußerungen des palästinensischen Präsidenten Abbas im Bundeskanzleramt angesprochen. Den Holocaust-Vergleich von Abbas verurteilte Herr Dr. Schuster aufs Schärfste. Er sei von der zunächst unkommentiert gebliebenen antisemitischen Äußerung auf deutschem Boden schockiert gewesen.

In Bezug auf die Documenta sprach Herr Dr. Schuster von einem „Missbrauch der Kunstfreiheit“, welche er sich in seinen „kühnsten Alpträumen“ nicht hätte vorstellen können. Verstärkt würden diese dadurch, dass ausgerechnet Kulturschaffende das Entfernen der antisemitischen Ausstellungsstücke zum Anlass für eine Debatte genommen hätten, ob denn die Kunstfreiheit in Deutschland noch gewährleistet sei. Namentlich kritisierte Herr Dr. Schuster den Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle, welcher durch sein zu zögerliches Eingreifen die Wandlung der Documenta 15 in eine „Documenta der Schande“ mitzuverantworten habe. Nun müsse eine gründliche Aufarbeitung der Geschehnisse stattfinden, so Herr Dr. Schuster weiter.

Zum Abschluss des 6. Scholl-Forums betonte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, dass Minderheitenschutz – ganz gleich ob religiöse, ethnische oder sexuelle Minderheiten betreffend – der essenzielle Baustein für Gleichheit und Freiheit in unserer Gesellschaft sei.

Unter den anwesenden Gästen war auch Herr Jürgen Illing als Vertreter der David Ben-Gurion-Stiftung, welcher am Ende der Veranstaltung das Engagement der Geschwister-Scholl-Schule lobte und einen Scheck in Höhe von 1.000 EUR zur Unterstützung des anstehenden Israel-Austausches überreichte. Für seine nun schon mehrere Jahre bestehende Verbundenheit zu unserer Schule sind wir Herrn Illing sehr dankbar.

Insgesamt war es der gesamten Schulgemeinde eine Ehre, den Präsidenten des Zentralrats der Juden an unserer Schule willkommen heißen zu dürfen. Aufgrund dessen bedanken wir uns bei unseren Lehrern Herrn Trier und Herrn Borchert (Leiter und stellv. Leiter des Fachbereichs II) für die Organisation des 6. Scholl-Forums und ihr Engagement in Bezug auf die politische Bildung der Schülerinnen und Schüler.

Pressebericht des Bergsträßer Anzeiger vom 15.10.2022

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