„Weh dem, der keine Heimat hat“, heißt es in Nietzsches Gedicht „Wenn die Krähen schrei’n“. Nicht zufällig setzten die Akteure der Geschwister-Scholl-Schule dieses von Düsternis getragene poetische Bild an den Schluss ihrer jüngsten Inszenierung.
Mit großem Gespür für psychische Brüche und Zerrissenheit brachten sie unter dem Titel „Die Räuber“ ein Stück auf die Bühne, bei dem man sich bei Friedrich Schillers gleichnamigem Werk aus der Sturm-und-Drang-Zeit allenfalls anlehnte. Die Truppe um die beiden Regisseurinnen Eva Lehrer und Julia Mandel wusste eine Intensität und Tiefe zu erzeugen, die unter die Haut ging. Mit ihren Aufführungen am Dienstag und Mittwoch im Forum der Schule setzte sie einen eindrucksvollen Akzent.
Wie Kain und Abel
Die Inszenierung spannt einen zeitlichen Bogen von der Kindheit bis zum Tod, vom Kinderzimmer, in dem noch die Erkennungsmelodie der Pippi-Langstrumpf-Verfilmung läuft, bis zur Räuberbande mit Rap-Songs. Im Visier stehen hier wie auch in Schillers Erstlingswerk zwei Brüder, die sich wie im biblischen Kain-und-Abel-Motiv bis aufs Blut hassen.
Eine Ursache führt unmittelbar ins Kinderzimmer. Die erste Szene zeigt einen Vater, der lediglich nur den Älteren seiner zwei Söhne registriert. So sehr der Jüngere um die Gunst des Vaters bettelt, bleibt er als Nummer zwei außen vor. Bei Schiller hatte das Prinzip noch ein gesellschaftspolitisches Format und legte den Finger in die Wunde der Feudalgesellschaft, die dem Zweitgeborenen keinerlei Erb- und Rechtsansprüche zugestand. Eine Dimension, die die GSS-Theatergruppe bewusst ausblendete.
An inhaltlicher Schlüssigkeit fehlte es aber nicht. Die Aufführung konzentrierte sich ausschließlich auf das zerbrochene Innenleben der zwei Brüder und kreierte ein Spannungsgefecht von zerrissenen Psychen. Die Akteure präsentierten eine leidenschaftliche Intensität, um den inneren Kampf mit sich selbst darzustellen. Franz, der Jüngere, ist gleich durch fünf Darsteller präsentiert, die auf verschiedenen Ebenen das dunkle Innenleben beleuchten. Ein geschickter und wirkungsvoller dramaturgischer Schachzug.
Drastisches Ende
Die Akteure zogen die vielfältigen Register der Schauspielkunst auf der kargen Bühne, die sich so düster in Schwarz präsentierte wie der Plot. Die Dramaturgie blendete in einer rasanten Abfolge die Beziehung zwischen den beiden weit voneinander entfernt lebenden Brüdern ein. Während der vom Vater so sehr geliebte Karl die Ferne suchte, blieb Franz der Heimat treu. Während der eine in die Kriminalität abdriftete, aber erfolglos von einer Räuberbande zur nächsten zog, verzettelte sich der andere in seiner persönlichen Gespaltenheit und seinem inneren Widerstreit.
Der in der Person angelegte innere Kampf spitzte sich zusehends zu und musste zwangsläufig in einem Selbstmord enden. Bühnenwirksam schalteten sich die die fünf Charaktere in einer Figur nacheinander durch gegenseitigen Genickbruch aus. Drastischer hätte das Auslöschen nicht ausfallen können.
Die Truppe bediente sich gekonnt diverser schauspielerischer Mittel – vom Sprechen im Chor über das abrupte Einfrieren von Bewegungsabläufen bis hin zum auflockernden Jazztanz, der sich die Musik der Moderne wunderbar in das Gesamtarrangement einfügte. Zumal auf die Theaterbesucher wahrlich keine heile Welt wartete.
moni © Bergsträßer Anzeiger, Samstag, 14.05.2016