Schamanenkunst und Höllenkreise am Niederwaldsee

Ein außergewöhnlich zu bestaunendes Kunst-Event fand am Samstag, dem 30.11.2019 am Niederwaldsee bei Zwingenberg statt. Oberstufen-Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Schule aus drei Kunstkursen (darunter auch SchülerInnen des Goethe-Gymnasiums) und einem Kurs Darstellendes Spiel verwandelten Wald- und Uferbereiche des Sees ab der Dämmerung bis in die späten Abendstunden hinein in ein beeindruckendes Schauspiel künstlerischer Arbeiten mit Installationen, Performances, Objekten und teils interaktiven Malereien. Die gut organisierte Schau mit Infostand, Infotafeln, bescheidenem Catering und ausgeschildertem Parcours rund um den See erinnerte zuweilen an so etwas wie eine Open-Air-Mini-Documenta mit sehr eindringlichen Werken: Angefangen von einer großräumigen und völlig in weiss gehaltenen multimedialen Installation zum Thema des „Weltenbaums“ aus dem Schamanenkult führte der Weg den Betrachter mit Taschenlampe durch herbstliches Laub zu einem in blauen Tüchern gehaltenen „Altar-Raum“ mit Totempfahl mit Flügeln. Neben aufgehängten Seelenfänger-Objekten, imposantem Büffel (Malerei) und betont gegenwartskritischen Objekten (Abrechnung mit medialer Überflutung) führte der Weg zu der ersten verstörenden Performance des Kurses Darstellendes Spiel, die thematisch die sündigen Höllenkreisen aus Dante Alighieris „Göttlicher Komödie“ modern-abstrahiert aufbereiteten: Eine staubsaugende, psychopathisch anmutende Gestalt versperrte dem Besucher den Weg, bis eine andere dunkle Gestalt den Weg freigab, nur um wenig später einen Tatort zu betreten, an dem eine sehr echt wirkende Henkers-Szene für kurze Irritation sorgte, während hinter dem verdutzten Tatzeugen drei Waldamazonen wie Schlangen auf dem Boden zu krochen. Derart in die Flucht geschlagen,  erholte sich der geneigte Kunstbetrachter an der nächsten Station bei meditativem Schamanen-Geflüster mit Seeblick oder am Schamanen-Zelt mit Räuchergewürzen zur Seelenkatharsis, bei der man neben einem Farbstrich auf der Handfläche eine Schraube aus dem Baumarkt als Talisman mit auf den Weg bekam. Trotz zunehmender Kälte ging es stets hinter einer Kurve weiter ins Ungewisse. Schon versperrte eine dunkle, bärtige Gestalt mit ernstem Blick den Weg und lockte die Besuchergruppe auf eine Feuchtwiese und drohte mit der Hölle für die Alchimisten unter uns Sündern. Die Performance endete in einer ohrenbetäubenden Explosion, bei der alle schwarz gekleideten Performer augenblicklich leblos zu Boden sackten. Gottlob folgte auch wieder Entspannung bei Trommelrhythmen und sphärischen Klängen, obwohl auf dem abschüssigen Weg zum Wasser eine leblose Gestalt unter Teelichtern begraben schien. Am Ende des Parcours  wurden dem geduldigen Betrachter noch bei Grablichtern von Vermummten, teils grotesk proportionierten Vermummten die Leviten auf Latein gelesen. Zur „Belohnung“ durften wir Besucher an der letzten Station mit Schlamm auf Betttücher archaische Abstraktionen malen, bevor es uns alle zum heißen Tee oder auf das stille Örtchen zog.

Insgesamt bleibt festzustellen: Ein in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich gelungenes Gesamtkunstwerk, das es aufgrund thematischen Tiefgangs gut zu vermeiden wusste, nicht als Halloween oder Geisterbahn missverstanden zu werden. Den Kunst-Lehrkräften und Organisatoren der GSS Bensheim, Pia Lichtenheldt und Ulrich Faudt gelang damit eine kreative Gesamtschau von Schüler-Leistungen, für deren Intensität man sich vielleicht – trotz Jahreszeit – mehr geneigte Besucher gewünscht hätte. Einen besonderen Dank möchten die Organisatoren allen Beteiligten aussprechen, neben den engagierten Schülern auch deren liebevoll unterstützenden Eltern, dem Arbeiter-Angelsportverein „Fischerhütte“, der unbürokratischen Genehmigung durch die Stadt Bensheim, der Feuerwehr sowie dem zuständigen Forstamt.                                  

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