„Moving Memories“ – Erlebnisbericht einer Jugendprojektfahrt nach Tiflis

Unter dem Motto „Moving Memories“ konnten nun nach 2019 erneut acht SchülerInnen der Einführungsphase der Geschwister-Scholl-Schule in Bensheim an der ukrainisch-georgisch-deutschen Jugendprojektfahrt in die georgische Hauptstadt Tiflis teilnehmen.

„Da kommst du so schnell nicht mehr hin, ich bin gespannt auf deine gesammelten Erfahrungen“. Diese Abschiedsworte eines Vaters fassten die Stimmung vor dem Abflug nach Tiflis passend zusammen, denn die Teilnehmenden erwarteten neun erkenntnisreiche, unterhaltsame und spannende Tage fernab der Heimat.

„Das ist hier alles ganz anders, irgendwie crazy. Das sind Erinnerungen, die ich niemals vergessen werde“. Diese Aussage einer Schülerin entstand bei einer durch die georgischen Jugendlichen organisierten Stadttour. Fernab der touristischen Pfade zeigten die ansässigen Jugendlichen ihren deutschen und ukrainischen Freunden die Plätze, an denen sie ihre Freizeit verbringen. Dieses Eintauchen in die georgische Jugendkultur war nur eine von vielen gewinnbringenden, bleibenden Erinnerungen. Das Thema „Erinnerungskultur“ stand auch im thematischen Zentrum des Austauschprogramms und es wurde bewusst, dass Länder unterschiedlich mit jener umgehen. Auch dass Geschichte ein lebendiges Konstrukt ist und von Pluralität, Kontroversität und Multiperspektivirät lebt, erfuhren unsere SchülerInnen beim Besuch des Stalinmuseums in Gori, der Geburtsstadt des Diktators. Hier wurde deutlich, wie man gezielt einen Kult um eine historische Person kreiert hat und dass Geschichte immer von mehreren Seiten beleuchtet werden sollte, um die Gefahr eines „unreflektierten Storytellings“ zu vermeiden.

„Dieses Mitfachformat ist ganz anders als wir es aus dem Unterricht kennen, aber trotzdem irgendwie viel anstrengender“, berichtete ein Teilnehmer, der die Fahrt begleitenden Lehrkraft Stefan Berg. Dies lag vor allem am Unterrichtskonzept, welches das Team um Mikhail Zhukov als interkulturelles Lernen und „non formal education“ bezeichnet. Für die zu bearbeitenden Aufgaben wurden gemischte Gruppen aus ukrainisch, georgischen und deutschen Jugendlichen gebildet. Die Teams bekamen meist eine Zielvorgabe und mussten sich den Weg zum Erreichen dieses Zieles dann selbstständig erarbeiten. Beispielsweise mussten in Teams Kurzfilme zum Thema „Moving Memories“ erstellt werden. Ebenfalls gab es individuelle Arbeitsphasen, in welchen das Reflektieren und kritische Auseinandersetzen mit dem eigenen Verhalten im Zentrum stand. Das Kommunizieren auf Englisch, das Auseinandersetzen mit unterschiedlichen kulturellen Sichtweisen auf einen Aspekt und die sich unterscheidenden Herangehensweisen an das zu lösende Problem bezeichneten die SchülerInnen als spannend und interessant.

Besonders einprägsam war der Austausch mit den ukrainischen Jugendlichen. So bekam beispielsweise eine Teilnehmerin aus Kiew regelmäßig Luftalarmwarnungen auf ihr Mobiltelefon gesendet. Dies machte den russischen Angriffskrieg auch für die anderen Teilnehmenden erfahrbarer.

Dem Team um Herrn Zhukov gelang es, beispielsweise durch Rollenspiele, Geschichte und Kultur physisch und kreativ erfahrbar zu machen. Mikhail Zhukov ist im Verein „Dialogue for Understanding“ für die Koordination von internationalen Jugendaustauschprogrammen und Begegnungsfahrten zuständig. Dieser Verein hat sich Völkerverständigung sowie die Unterstützung von zivilgesellschaftlichem Engagement in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion zum Ziel gesetzt. Weitere Projekte behandeln die Themen „Ökologie“ und „Sozioökonomie“ und zielen ebenfalls auf das Abbilden des facettenreichen Bildes der aktuellen osteuropäischen Gesellschaft ab. Finanziell wurde das Projekt von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) sowie dem Auswertigen Amt gefördert.

Neben thematisch spannenden Inputs, wird den TeilnehmerInnen vor allem die georgische Freundlichkeit und Offenheit, der Eindruck einer kulturell spannenden, historisch facettenreichen und dynamischen Metropole, welche gerade ihren Platz zwischen Russland und dem „Westen“ zu definieren versucht, in Erinnerung bleiben.

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