Letzten Donnerstag wurde ein Stück Stadtgeschichte geschrieben, als Gunter Demnig im Beisein eines Zeitzeugen die Namen ehemaliger jüdischer Mitbürger in der Hauptstraße verewigte.
Angefangen hatte das Schülerprojekt bereits vor über fünf Jahren, als die Geschäftsführerinnen des Kaufhauses Ernst Ganz GmbH in Bensheim, Katjuscha Maschik und Tatjana Steinbrenner, die Geschichtswerkstatt mit der Aufarbeitung ihrer Firmengeschichte betrauten, in der bislang ein großes Kapitel unerzählt geblieben war: Die jüdische Vorgeschichte des Kaufhauses, die bereits 1899 in der heutigen Hauptstraße 5 in Bensheim begonnen hatte und mit den beiden letzten jüdischen Vorbesitzerinnen des Kaufhauses, der Witwe Sophie Jacoby und ihrer Nichte Else Schwabacher, endete.
Unter dem Druck der NS-Verfolgungsmaßnahmen sahen sich die beiden Frauen gezwungen, das zuvor florierende Kaufhaus im Jahre 1936 an die Karlsruher Kaufleute Ernst Ganz und Karl Birkenmeier zu verkaufen, um ihre Flucht aus Deutschland finanzieren zu können. Bereits seit 1935 sammelte sich Elses Familie, die eigentlich aus Memmingen stammte, nach und nach in Bensheim in der Hauptstraße 56, um von hier aus ihre Flucht nach Frankreich und weiter in die USA bzw. nach Palästina und Südafrika vorzubereiten.
Die unterschiedlichen Fluchtwege und das weitere Schicksal der einzelnen Familienangehörigen wurden von der Geschichtswerkstatt detailliert rekonstruiert und ist in dem soeben erschienenen Buch „Gegründet 1936? Die Geschichte des Kaufhauses Ganz in Bensheim und seine jüdische Vorgeschichte“ nachzulesen.
Auf Grundlage dieser Recherchen trat die Geschichtswerkstatt an die Stadt Bensheim heran und schlug im Einvernehmen mit den heutigen Kaufhausbesitzerinnen die Verlegung von Stolpersteinen für alle neun Familienmitglieder am Eingang des Kaufhauses Ganz vor. Frau Bürgermeisterin Klein zögerte nicht lange und stellte sich als Schirmherrin dieses Vorhabens zur Verfügung, das nun in der vergangenen Woche nach einjähriger Vorarbeit realisiert werden konnte. Das Rahmenprogramm der Feier wurde von Ethik- und Religionskursen des Jahrgangs 9 gestaltet. In Gegenwart zahlreicher Schülerinnen und Schüler sowie Ehrengäste – darunter der Sohn der letzten Besitzerin Else Schwabacher, Howard Wolff, mit Gattin Susan Wolff, die eigens für diese Veranstaltung aus den USA angereist waren – fanden die ehemaligen jüdischen Mitbürger zumindest symbolisch wieder Aufnahme in ihrer alten Heimat.