Zeitzeuge Howard Wolff (Jg. 1943) spricht im Interview mit Schülern der Geschichtswerkstatt über seine Erfahrungen als Sohn jüdischer Emigranten in den USA.
Seine Eltern hatten Deutschland aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen verlassen müssen, er selbst verbrachte seine Schulzeit in einem beschaulichen Städtchen im Mittleren Westen der USA im Umland von Chicago. Obwohl seine Mutter zuhause nur Deutsch mit ihm gesprochen habe, um ihm nicht ihren deutschen Akzent beizubringen, und er erst in der Schule angefangen habe, Englisch zu sprechen, habe er sich nie ausgeschlossen gefühlt – außer vielleicht in Sport, ergänzt er augenzwinkernd, wo er wegen seiner geringen Körpergröße meist als einer der letzten ins Team gewählt worden sei. Seinen Eltern sei der jüdische Glaube wichtig gewesen, das Familienleben habe sich aber nicht nur um die Religion gedreht. Er sei auf eine öffentliche Schule gegangen, habe aber zusätzlich eine Sonntagsschule besucht, um Hebräisch zu lernen und mehr über seine Religion zu erfahren. Allerdings habe er die Nerven seiner Hebräisch-Lehrerin oft sehr strapaziert, da er kein sehr gelehriger Schüler gewesen sei und stattdessen allerlei Unfug angestellt habe. Sein Freundeskreis habe aus jüdischen und nichtjüdischen Kindern bestanden, Religion habe da keine große Rolle gespielt, auch wenn einige seiner engsten Freunde jüdisch gewesen seien. Auch wegen seiner deutschen Herkunft habe er keine Zurückweisung erfahren.
Er habe immer das Bedürfnis gehabt, die ehemalige Heimat seiner Eltern kennenzulernen und habe Deutschland bereits seit den 1950er-Jahren mit seiner Familie besucht, beispielsweise Kassel, wo noch eine Tante lebte, die den Holocaust in Deutschland überlebt hatte. In Bensheim sei er das erste Mal und er sei überrascht, wie herzlich er hier aufgenommen worden sei.
Auf die heutige Situation in den USA angesprochen, sieht er die Notwendigkeit, Emigranten in die Gesellschaft zu integrieren und sie zu akzeptieren. Niemand, der schrecklichen Lebensbedingungen und Hunger entfliehen müsse wie etwa die „illegalen“ Flüchtlinge aus Venezuela, sollte Angst vor Abschiebung haben müssen. Amerika sei noch immer das Land der Möglichkeiten.
Im Anschluss an seinen Besuch in Bensheim suchte Howard Wolff zusammen mit seiner Frau Susan die Heimat seiner schwäbischen Ahnen in Ichenhausen bei Ulm und Fellheim bei Memmingen auf, wo noch heute die Grabsteine seiner Großeltern und Urgroßeltern stehen und die ehemaligen Synagogen den nationalsozialistischen Terror überlebten. Auch das ehemalige Wohnhaus seiner Familie in Memmingen, in dem seine Mutter Else Schwabacher vermutlich geboren wurde, ist noch intakt.