Auch in Bensheim waren die Nationalsozialisten an der Macht

Am 22.02.2019, dem Gedenktag zur Ermordung der Geschwister Scholl, haben wir, der Q4-Geschichtskurs von Herrn Sonntag, uns auf eine Stadtführung durch Bensheim begeben. Inhalt der Führung waren die Spuren des Nationalsozialismus in Bensheim. Darunter fielen Orte wie das ehemalige Gestapo-Gefängnis sowie deren Zentrale, der Sitz des Standgerichtes „Helm“ und die Begehung der Hinrichtungsstätten der unschuldig Ermordeten in Bensheim während der Endphase des Zweiten Weltkrieges.

Wir begannen am ehemaligen Gestapo-Gefängnis, welches sich auf dem heutigen Gelände des Amtsgerichtes in Bensheims befand. Es sind leider nur noch Grundmauern des Gefängnisses zu erkennen. Zur Zeit der Nationalsozialisten waren dort zwischen 100 und 200 Menschen gefangen.

Zu den Gefangenen zählten alle jene, welche von den Nazis als ‚,Staatsfeinde‘‘ bezeichnet wurden: z.B. Anhänger einer Widerstandsbewegung, Juden, Gewerkschafter, Kommunisten oder generell alle Personen, die sich in irgendeiner Form gegen das Nazi-Regime gewendet haben. Schon eine kritische Äußerung konnte zur Verhaftung führen.

Um kurz vor Kriegsende die geheimen Machenschaften zu vertuschen, wollten die Nazi-Täter alle Spuren vernichten. Darunter fiel auch die Beseitigung der Gefangenen als mögliche Zeugen. Der Großteil der Gefangenen wurde in Richtung Osten verlegt. Was mit ihnen geschah, ist größtenteils unklar. Die übriggebliebene kleine Gruppe von Gefangen wurde am 24.03.1945 auf einen Marsch auf den Kirchberg geschickt: Der Weg der Kirchbergmorde.

Wir liefen den Weg der Gefangenen ab und stoppten dabei an zwei weiteren Orten, an denen Verbrechen begangen worden waren: Als erstes an der Hauptzentrale der Gestapo, in deren Hinterhof die Nazis zwei amerikanische Soldaten ermordete hatten. Als zweites hielten wir in der Nähe des heutigen Wasserwerkes an der Stelle, wo drei deutsche Soldaten wegen angeblicher Fahnenflucht standrechtlich hingerichtet worden waren. Heute befindet sich hier eine Gedenktafel.

Als wir uns wieder auf der Route der Gefangenen befanden, erfuhren wir außerdem, dass auf dem Weg zum Kirchberg zwei Menschen einen Fluchtversuch unternommen hatten. Es waren Gretel Maraldo und Alex Romanow. Ein Akt von unfassbar großem Mut. Denn es war ihnen sicher bewusst, dass sie dabei ihr Leben riskierten. Gretel Maraldo wurde von den Wachen erschossen. Alex Romanow wurde verwundet, überlebte aber und konnte entkommen.

Nur eine weitere Person überlebte das Massaker: Johann Goral entkam, weil er keinen tödlichen Schuss abbekam. Als die Gruppe den Weg bis in den Wald am Kirchberg hineingegangen war, kamen sie an eine Stelle, wo bereits ein Graben ausgehoben war. Johann Goral musste sich mit zwei weiteren Häftlingen davor stellen. Hier erschossen die Nazi-Mörder diese unschuldigen Menschen. Johann Goral ließ sich in die Grube fallen. Der Schuss hatte ihn nur gestreift.  In der Dunkelheit und in einem unbeobachteten Moment konnte er aus dem Graben herausklettern und die Flucht ergreifen. Die anderen Gefangenen wurden alle ermordet.

Am Gedenkstein angekommen hielten wir für die unschuldigen Opfer eine Schweigeminute ab.

Wir denken, wir sprechen für alle im Kurs, wenn wir sagen, dass all diese Informationen neu für uns waren. Es ist sehr ergreifend zu hören, was in der eigenen Heimatstadt für grausame Dinge passiert sind. Es ist jedoch notwendig an diese Dinge zu erinnern: Denn wer sich nicht erinnert, der vergisst und wer vergisst, wiederholt seine Fehler.

Da diese Zeit wohl das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte ist und sich niemals wiederholen darf, ist es unvermeidbar und auch zwingend notwendig sich zu erinnern.

Dieses Erinnern wird in Bensheim auch durch diverse Denkmäler praktiziert. Zwei davon schauten wir uns im zweiten Teil unseres Rundganges an. Dazu gehörte das Mahnmal für die ehemalige Synagoge in Bensheim, welche in der Reichspogromnacht 1938 zerstört wurde. Hier lasen wir Texte über die Zerstörung des jüdischen Gotteshauses und setzten uns mit der Gestaltung des Denkmals auseinander. Am Ende standen wir vor dem heutigen Bürgerbüro. Dort befindet sich ein übergroßer „Stolperstein“, der die Ecke eines unter der Erde begrabenen Hakenkreuzes symbolisieren soll. Hier erinnerten wir uns an die Anfänge der Nazi-Diktatur und sprachen über verschiedene Formen des Erinnerns und Gedenkens.

AgfaPhoto

All diese Orte zu besuchen und die Geschichten lebendig werden zulassen, bestärkt uns in unserer Meinung, dass sich so etwas niemals wiederholen darf. Dazu ist es wichtig, dass uns diese Zeit im Gedächtnis bleibt und die Opfer nicht vergessen werden.

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