Quo vadis, Europa?

Diese Frage stellten sich Anfang April die 19 Teilnehmer*innen der Politikwerkstatt der Geschwister-Scholl-Schule während des zweitägigen Planspiels „Eurotopia“ im Haus am Maiberg.

Anknüpfungspunkt bildete das Planspiel „Meine Wahl“, welches im Rahmen des Wahl-Watching-Seminars zur hessischen Landtagswahl in Wiesbaden durchgeführt wurde. Der Fokus verlagerte sich diesmal jedoch aufgrund der bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament von der Ebene der Landespolitik auf die europäische Ebene.

Nach einer gemeinsamen Methodenreflexion zur Gestaltung und zum Ablauf des Planspiels ging es an die Suche von Themen, die es schwerpunktmäßig auszuarbeiten galt und über die verhandelt werden sollte. Dabei wurde die Erarbeitung politischer Themen mit der Gründung dreier europäischer Parteien verknüpft, von denen jeweils ein unterschiedliches parteipolitisches Spektrum abgedeckt wurde. Zunächst hatte jede Partei die Aufgabe, Eckpunkte und Inhalte eines eigenen Parteiprogramms zu entwickeln und festzulegen. Dafür wurde jedem Parteimitglied ein Themengebiet zugeordnet, für das es nun als Experte federführend zuständig war. In dieser Phase wurden unter anderem die Grundlagen geklärt, wie das politische System eines europäischen Staatenbundes aufgebaut sein und ob es eine gemeinsame Verfassung geben solle, wie die Gestaltung der Wirtschafts- und Finanzpolitik aussehen könnte oder welche dringenden Aspekte und Fragen der Umweltpolitik auf welche Art und Weise zu bearbeiten seien. Bereits in dieser Konzeptionsphase traten die Parteien zum Beispiel in Form von Briefen und informellen Gesprächen miteinander in Kontakt, um den politischen Mitbewerber besser kennenzulernen und mögliche spätere Koalitionen auszuloten.

In der abschließenden konstituierenden Parlamentssitzung stellten die Parteien zunächst ihre politischen Entwürfe für die Gestaltung des europäischen Kontinents vor, um anschließend nach dem Mehrheitsprinzip über die Grundlinien einer gemeinsamen Politik abzustimmen. Dabei zeigten sich – ähnlich wie in der politischen Realität – sowohl Hindernisse als auch Möglichkeiten, den politischen Gegner von den eigenen Ideen zu überzeugen. Neben guten Argumenten für die eigene Position waren dabei Kompromisse und Zugeständnisse bei vielen Entscheidungen notwendig.

Wie sich am Ende zeigte, waren viele Ergebnisse und Entwürfe mit Elementen vergleichbar, die entweder die heutige Europäische Union kennzeichnen oder bereits in der Vergangenheit eingebrachte Vorschläge wieder aufleben ließen (zum Beispiel das Konzept der Vereinigten Staaten von Europa oder eine gemeinsame Verfassung). Neben dem innovativen Namen des Staatenbundes, der nun „NEUropa“ heißen sollte, waren aber auch eigene Schwerpunktsetzungen oder neue Ideen erkennbar, die sich unter anderem in einer gemeinsamen Amtssprache Englisch oder in einer Aufwertung der Umweltpolitik zeigten.

In der abschließenden Reflexionsphase zeigten sich die Teilnehmer*innen der Politikwerkstatt sehr begeistert von der Idee und dem Ablauf dieses Planspiels. Die Tatsache, dass sowohl die Themen- und Konzeptionserarbeitung als auch das spätere Gewinnen von Mehrheiten kluges Überlegen, überzeugende Argumente, Verhandlungsgeschick, aber auch Durchsetzungsvermögen erfordern, konnte für die Schüler*innen einen sehr anschaulichen Einblick in den politischen Prozess vermitteln.

Das Seminar wurde am Abend des zweiten Tages durch einen sehr interessanten Vortrag der Sprachwissenschaftlerin Prof. Heidrun Kämper von der Universität Mannheim zum Thema „Sprache – Macht – Politik“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Zukunft der Demokratie“ abgerundet. In ihrem interaktiven Vortrag zeigte Frau Kämper anschaulich, wie Manipulation durch Sprache funktioniert und wie damit verschiedene Realitäten geschaffen werden. Frau Kämper ging dabei ausführlich auf aktuelle parteipolitische Beispiele ein und stellte sowohl die Strategien und Methoden rechtsextremer und populistischer Sprachverwendung als auch deren historische Anknüpfungspunkte dar. Abschließend wurden Ideen und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, wie eine konstruktive Sprachkritik aussehen könnte. Wachsamkeit, eine Sensibilisierung für sprachliches Handeln und das Aufdecken von Sprachmustern und Normbrüchen bilden dabei die Grundlage für eine gelingende Sprachreflexion, um populistischen Argumenten demokratisch entgegentreten zu können. Insgesamt sind sich die Teilnehmenden einig, dass diese Veranstaltung sehr interessant und lehrreich war.

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